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Kyudo
der Weg des Bogens
die Kunst des japanischen Bogenschießens
1 Kyudo
in Japan
Seit über 2000 Jahren wird das
Bogenschießen in Japan ohne Unterbrechung praktiziert und ist die älteste Form
des traditionellen Budo („Weg des Kriegers“, Oberbegriff für die japanischen
Kriegskünste). Japan ist dadurch eines der wenigen Länder der Erde in denen
eine kontinuierliche Bogenschießtradition über Jahrhunderte erhalten blieb.
Außer den Schießformen für
Training, Wettkampf und Demonstration (Mato - Standardschießen, Enteki bzw.
Toshiya - Weitschießen, Kazuya und Koshiya -
historische Formen, Yabusame
- zu Pferd) kommt in Japan die
Grundform des Bogenschießens, auch heute noch, in Zeremonien vor (Sharei und
Jarei -
Neujahrsschießen, Meigen - Glücksschießen, Hikime -
Geistervertreibung).
2 Historische Aspekte im Kyudo, die verschiedenen Ryu (Schulen)
Kyudo ist eine sehr alte aber, wie
sie derzeit gelehrt wird, auch eine junge Kunst. Nach den frühen Anfängen
(siehe oben) entstanden bereits im Mittelalter verschiedene Schulrichtungen des
japanischen Bogenschießens.
Anfang des 20. Jahrhunderts wurden
in Japan, nach einer vorhergehenden Vernachlässigung im Zuge der Modernisierung
des Landes, die alten Kampfkünste wiederbelebt und auch in den Schulen
eingeführt. Damals entstand eine neue Form des Kyujutsu, in die Aspekte des
Sports und der Zeremonie mit eingeflossen sind.
Seit dieser Zeit werden zwei
Kyudohauptrichtungen weiter praktiziert:
- Der Schomenstil (zentrales Heben des Bogens) als standardisierte Form. Bei dieser
Schießform wird, durch die höfischen Einflüsse der Ogasawara - Ryu (13. Jh. in Kanagawa), die Formengestaltung und
die Bewegungsharmonie betont, was prägend für das offizielle Kyudo von heute
wurde.
- Die Heki
- Ryu (15. Jh. in Mie) pflegt bis heute die Schamenform (zielgerichtetes Heben des Bogens). Diese Schule
schließt direkt an die Linie der Samurai an. Die überlieferte Technik wurde
nicht verändert, sondern wissenschaftlich erforscht und gelehrt. Dieser Schule
gehören auch die meisten deutschen Kyudo - Schützen an.
3 Kyudo in Deutschland
Seit September 1969 wird Kyudo in
Deutschland offiziell praktiziert. Damals trafen sich, eher zufällig, zwei
japanische Delegationen mit Vertretern der beiden Kyudo - Hauptrichtungen in
Hamburg. Darunter war auch Inagaki
Genshiro Yoshimichi (1911 - 1995) der 1971 die erste japanische Professur
für Kyudo an der Pädagogischen Universität Tokyo erhielt, und in den
darauffolgenden Jahrzehnten die deutsche Kyudolandschaft entscheidend prägte.
Seither sind in vielen Städten
Kyudogruppen, mit bisher mehr als 1000 Mitgliedern, entstanden, die im
Deutschen Kyudo Bund (DKyuB)
organisiert sind. Dieser ist Mitglied in der Europäischen Kyudo Föderation (EKF) und über diese in der All Nippon
Kyudo Federation (ANKF).
Obgleich Kyudo, seit Herrigels
eindrücklicher Darstellung (siehe unten) im Westen als „die Zenkunst“ gilt,
blieb das praktische Interesse an Kyudo bisher eher gering.
4 Was ist das Besondere an der Kyudo - Schießtechnik (Heki Schule) ?
Die Ausrüstung und Schießtechnik
weisen im Kyudo einige Besonderheiten auf:
Der Kyudobogen
(Yumi) wird nach dem Vorbild des mittelalterlichen japanischen Kriegsbogens
hergestellt. Die traditionellen Bögen bestehen aus einem Bambus – Holz Laminat
das innen und außen mit Bambusspleißen abgedeckt ist. Daneben gibt es robuste
Glasfiber- oder Carbon - Laminatbögen,
sowie Mischformen. Der Yumi ist ein Langbogen ohne Zielhilfen, von ca. 2,25 cm
Länge, mit einem Zuggewicht von ca. 10 - 20 kg. Er wird mit der Sehne auf ca.
15 cm Höhe aufgespannt.
Der
wichtigste Unterschied zu anderen Bögen ist die Asymmetrie: Der Pfeil wird
nicht in der Bogenmitte, sondern zwischen unterem und mittleren Drittel
abgeschossen.
Der
Kyudopfeil wird traditionell auch
aus Bambus hergestellt. Vorwiegend werden aber ca. 100 cm lange Aluminiumpfeile
verwendet. Es gibt drei Pfeilarten: Makiwarapfeile ohne Befiederung (kurze
Distanz: 2 m), Matopfeile (Standarddistanz: 28 m) und
Entekipfeile (Langstreckenschießen: 60 m).
Der
Kyudohandschuh (rechte Hand) wird
aus Leder hergestellt und hat einen verstärkten Daumen, mit einer quer über die
innere Wurzel verlaufenden Kerbe.
Die Schießtechnik wird
hauptsächlich durch die Asymmetrie des Bogens bedingt:
Der Bogen wird mit einem
speziellen Griff (Tenouchi) mit der linken Hand gefasst. Der Pfeil wird
eingenockt und liegt auf der linken Daumenwurzel des Schützen. Die Sehne wird
in die Daumenkerbe des Handschuhs eingehängt. Danach wird der Bogen auf die
volle Pfeillänge gespannt, so dass die Sehne hinter dem rechten Ohr des
Schützen, und der Pfeil an seiner Wange anliegt.
Durch gezieltes Einsetzen der
Muskelspannung im Rücken und im übrigen Körper sowie durch gleichzeitiges
Drücken und Drehen der linken und gegensätzliches Drehen der rechten Hand wird
nun der Schuss ausgelöst. Das Auslösen wird also nicht passiv (durch loslassen
der Sehne), sondern aktiv herbeigeführt.
Während des Abschusses
dreht sich der Bogen aus der Pfeilflugbahn heraus und der Pfeil wird dadurch
frei in der Luft beschleunigt. Der Bogen kann so „auslaufen“ und sich um fast
360° in der Hand des Schützen drehen.
Durch die aktive Abschusstechnik
wird die Pfeilgeschwindigkeit (ca. 200 km / h) und somit die Durchschlagskraft
enorm gesteigert.
5 Training
im Kyudo, wie geht das vor sich ?
Der
Schüler (Kyujin) übt die Grundtechnik
zuerst mit einem „Gummibogen“.
Ist
er so weit, dass er sich und andere durch die Bogenhandhabung nicht mehr
verletzt, wird er, unter Anleitung, die ersten Pfeile auf ein Makiwara (Übungsziel aus Stroh)
abschießen. Das Makiwaraschießen wird danach weiterhin zur Fehleranalyse- und
Korrektur gebraucht, auch von Fortgeschrittenen und Meister.
Ist
der Kyujin, nach weiterem Üben, so weit dass er die Schießfolge (Hassetsu) gut
beherrscht und die Pfeile auch geradeaus fliegen wird er, wieder unter
Anleitung, seine ersten Pfeile auf das Mato
(Ziel in 28 m Entfernung) schießen.
Danach
wird die Schießtechnik schrittweise verbessert, das Taihai (standardisierte
Gruppen - Schießform), Entekischießen, das Schießen im Kniestand usw. erlernt.
Es kann mit etwa 1 - 3 Monaten
Gummibogen und 3 - 4 Monaten Makiwaraschießen gerechnet werden, bis zum
Matoschießen übergegangen wird.
Das
Training ist individuell auf den Schüler abgestimmt. Jeder durchläuft seine
eigene Entwicklung und muss sich, unter Anleitung, die Technik selbst
erarbeiten.
Bei
Schüler- und Meisterprüfungen kann man sich eigene Erfolge bestätigen lassen
und die eigene Erfahrung mit der anderer Kyujin vergleichen.
Wir raten davon ab, Kyudo allein
lernen zu wollen. Die anspruchsvolle Technik kann nur durch ständige Anleitung
und Korrektur durch einen erfahrenen Meister fehlerfrei erlernt werden. Zudem
besteht ohne Anleitung ein hohes Verletzungsrisiko.
6 Kyudo
und Zen
Viele kennen das Buch
„ZEN in der Kunst des Bogenschiessens“ von E Herrigel. Weil der Kyudobogen,
eigentlich ein Kriegsbogen (siehe oben), seit diesem Buch oft fälschlicherweise
als Zen - Bogen bezeichnet wird, soll hier auch kurz auf die Beziehung Kyudo -
Zen eingegangen werden.
Während des Mittelalters wurden,
im Zuge der Entwicklung des japanischen höfischen Zeremoniells, verschiedene
Kriegs- Kunst- und Alltagstechniken extrem verfeinert und auf das Wesentliche
reduziert. Sie konnten so, auch nachdem sie entbehrlich wurden, als Kunst
selbständig weiter bestehen. Unter dem Begriff des Do (Weg, auch Kunst) bekannt, sind sie ein Charakteristikum der
Japanischen Kultur. Als Beispiel sollen hier nur die Teezeremonie (TschaDo),
die Kampfkünste allgemein (BuDo) und speziell auch KyuDo genannt werden.
Durch die vorgegebene „Technik“ im
Do, erlernt der Schüler diese, verfeinert sie kontinuierlich und entwickelt
sich, durch ständiges Arbeiten an sich selbst, weiter.
Eine ähnliche, aber direktere,
Entwicklung gibt es im Zen. Zen - Meister sind sich einig dass Zen nicht
definierbar ist. Es kann erfahren und höchstens umschreiben werden. So kann man
Zen als eine Übung umschreiben, um die wahre Natur der Dinge (auch des eigenen
ich) zu erkennen. Die übliche Zen - Übung ist das „Sitzen“ (Zen - Meister
sprechen nur ungern von Meditation) und eines der wichtigsten Prinzipien ist
die Achtsamkeit in allem Tun.
Im Kyudo erlernt der Schüler die
Schießtechnik und wird versuchen, sie durch stetiges und achtsames Üben weiter
zu verfeinern. Ist seine Technik fast zur Perfektion ausgereift (etwa ab dem 5.
Meistergrad) braucht er sich nicht mehr auf sie zu konzentrieren und es kann
sein, dass sich der (richtig vorbereitete) Schuss in einem Zustand der
Losgelöstheit von selbst löst. Herrigel sagte „es schießt“. Durch dieses sich
Verlieren im achtsamen Tun (hier die Schießtechnik) beginnt, wie bei anderen Do
- Künsten auch, die Zen - Erfahrung.
Inwieweit ein Kyujin diesen Weg
einschlagen will, bleibt ihm selbst überlassen. Bis dahin kann er jedenfalls
ein „solides Schießhandwerk“ erlernen und sich in einer schönen und
abwechslungsreichen sportlichen Tätigkeit üben.
7 Wer kann Kyudo lernen und praktizieren ?
Kyudo kann von jedem erlernt
werden, unabhängig von der Körperkraft und dem Alter. Das Zuggewicht des Bogens
wird der Kraft und dem Entwicklungsstand des Schülers angepasst. Viele Kyujin
bleiben bis ins hohe Alter aktiv.
Ideal ist es, wenn man bis zum
Makiwaraschießen etwas Geduld mitbringt und die Auseinandersetzung mit sich
selbst nicht scheut. Bei Anleitung durch den Trainer kann man auch zu hause
Üben, da Makiwaraschießen nur wenig Platz beansprucht.
Durch das Üben (aktive
Abschusstechnik, siehe oben) wird der ganze Körper symmetrisch trainiert,
insbesondere der beim „modernen Zivilisationsmenschen“ am stärksten vernachlässigte
Körperteil, der Rücken.
8 Kosten
und Trainingsmöglichkeiten
Durch das schrittweise Erlernen
der Schießtechnik steigen auch die Ausgaben nur allmählich, bis man im Besitz
einer vollständigen Ausrüstung ist.
Ein „Gummibogen“ kostet ca. 10 €. Nach ca. 2 Monaten braucht der
Schüler, für das Makiwaraschießen einen Kyudohanschuh
(ab 200 €) und einen Makiwarapfeil
(ab 15 €). Einen leichten Anfängerbogen (ca. 10 kg Zuggewicht) stellt meistens
der Verein zur Verfügung.
Mit Beginn des Matoschießens, ca.
4 Monate später, benötigt man einen Satz Matopfeile
(4 Pfeile ab 100 €). Erst ab diesem Zeitpunkt sollte man einen eigenen Bogen anschaffen. Das Zuggewicht kann
später nach Bedarf weiter gesteigert werdend. Bögen für Anfänger kosten ab 250
€.
Ausrüstungsteile sind
manchmal auch gebraucht erhältlich. Wie üblich gibt es nach oben kaum Grenzen,
jedoch gilt auch im Kyudo: Zeig mir wie
(und nicht womit) du schießt und ich weiß wer du bist.
Für Trainingskleidung (für Fortgeschrittene bei Prüfungen und
Lehrgängen) ist mit ca. 150 € zu rechnen. Die Vereinsbeiträge bewegen sich im üblichen Rahmen.
9 Literatur
Eugen Herrigel Zen in der Kunst des Bogenschießens
Otto
Wilhelm Barth Verlag
Feliks F. Hoff Kyudo; Die Kunst des japanischen Bogenschießens
Weinmann (deutsches Standardwerk für Heki Ryu)
Genshiro Inagaki Kyudo Nyumon
Tokyo Shoten (vergriffen)
Hideharu Onuma Kyudo; The Essence
and Practice of Japanese Archery
Kodansha
International, Tokyo New York London
(Standardwerk
für Shomenstil)
H S Stein Die Kunst des Bogenschiessens, Kyudo
Scherz
Verlag
Bildnachweis: Prof. Inagaki
Sensei, fotografiert von einem Schüler